Angler nach Angriff auf Fischereiaufseher wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Verzerrte Berichterstattung in Lokalzeitung.
Der Fall hat im Juli 2019 bayernweit Schlagzeilen gemacht: Ein Angler griff an der Donau bei Kelheim einen Fischereiaufseher mit einer Axt an. Das Opfer trug erhebliche Verletzungen davon. Hätte es nicht sein Mobiltelefon ans Ohr gehalten, wäre sein Schädel womöglich durch einen Hieb zertrümmert worden. Der Täter saß mehrere Monate in Untersuchungshaft. Vor dem Landgericht Regensburg begann im Februar der Prozess. Am 12. März verkündeten die Richter ihr Urteil: Sie sprachen den Täter wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig und setzten als Strafe eine Haft von einem Jahr und zehn Monaten an, die sie zur Bewährung aussetzten.
Der Fall zeigt, wie gefährlich die Tätigkeit eines Fischereiaufsehers sein kann. Das Opfer erlitt ein Trauma. In einem ärztlichen Gutachten war von einem psychotischen Residualzustand die Rede, unter dem es dauerhaft zu leiden habe. Der 54-Jährige wird heute noch medikamentös behandelt. Er musste seine Courage, als Ehrenamtlicher für die Ökologie unserer Gewässer und für unsere Unterwasserfauna einzutreten, leider sehr teuer bezahlen.
Zu Unrecht an den Pranger gestellt
Die unerfreulichen Begleiterscheinungen des Prozesses führten zudem vor Augen, auf welch schäbige Weise ein Opfer öffentlich bloßgestellt werden kann – und mit ihm auch ein ganzer Fischereiverein. Die Berichterstattung in der Mittelbayerischen Zeitung ließ all das zu wünschen übrig, was man unter ausgewogenem, sorgfältigem und fairem Journalismus versteht. Sie brachte den Verein durch Unterstellungen öffentlich in Misskredit. „Der Kreisfischereiverein Kelheim e.V. ist einer der größten Vereine in unserem Verband. Er arbeitet absolut vorbildlich“, sagt LFV-Präsident Prof. Dr.-Ing. Albert Göttle. Er schrieb im Februar dem Chefredakteur des Blattes einen Brief und erhielt von ihm bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine direkte Antwort. Stattdessen wurde der LFV-Pressestelle mitgeteilt, dass die MZ die Kritik nicht teilen könne.
Am ersten Prozesstag, als die Anklage verlesen wurde und die ersten Zeugen gehört wurden, waren Vertreter mehrerer Medien anwesend. Da wurde sauber zitiert und alle Seiten kamen zu Wort. Später aber war als Prozessberichterstatter vorwiegend der MZ-Journalist zugegen, der sich nach Einschätzung von Prozessbeobachtern als verlängerter Arm der Verteidigung gerierte. Entsprechend einseitig fielen dann leider auch die Prozessberichte in der MZ aus. Sie verfolgten gewissermaßen die Strategie der Verteidigung, das Tatopfer und den Kreisfischereiverein Kelheim in ein schiefes Licht zu rücken.
Zeugen der Verteidigung blamieren sich
Einem wahren Theaterspektakel glich vor der Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz von Dr. Michael Hammer der vierte Prozesstag. Die Verteidigung des Axt-Angreifers führte einen Zeugen nach dem anderen auf. Sie alle sollten die Glaubwürdigkeit des Fischereiaufsehers erschüttern, indem sie ihn als unhöfliches, brüllendes Ungetüm und „schlimmsten Kontrolleur von ganz Bayern“ darstellten. Die Schilderungen übernahm der MZ-Reporter. Sie waren kompromittierend, das scheint ihm gefallen zu haben. Aber waren sie auch glaubhaft? Keineswegs. Unerwähnt ließ der Berichterstatter, wie eklatant sich diese Zeugen der Reihe nach blamierten, als sie mit Schaum vor dem Mund über das Opfer herfielen und sich vor lauter Belastungseifer in Widersprüche verzettelten.
Einer von ihnen ging in einer kurzen Prozesspause zum angeklagten Axt-Angreifer, reichte ihm die Hände und sagte: „Wir schaffen das!“ Dem Richter fiel diese Sympathiebekundung des Zeugen für den brutalen Täter auf, dem Reporter nicht. Der Richter fragte kritisch nach, der Reporter ließ den außergewöhnlichen Umstand außer Acht. Er hätte nicht in sein schiefes Bild gepasst. Schließlich kam bei dieser Vernehmung auch noch ans Tageslicht, dass der Zeuge beim Angeln mit lebendem Köderfisch erwischt worden war – und zwar genau von dem Fischereiaufseher, der in diesem Prozess Opfer war und den der Zeuge nun zu belasten versuchte. In der MZ kein Wort von dem Fischfrevel und dem ganzen peinlichen Auftritt.
Ein anderer Zeuge wollte sich nicht mehr erinnern, dass er sich schon einmal wegen einer Straftat verantworten musste. Die Oberstaatsanwältin erinnerte ihn daran. Und wieder ein anderer wollte Catch-and-Release-Bilder von einem großen Waller nur zum Schein in ein soziales Netzwerk gestellt haben und vom Fischereiaufseher drangsaliert worden sein. Auch er verstrickte sich in weitere Widersprüche, bis es ihm zwischenzeitlich sogar die Sprache verschlug.
All diese Herren wären als Knallchargen für das „Königlich-bayerische Amtsgericht“ durchgegangen. Doch die MZ berichtete, als wären als Belastungszeugen gegen das Opfer ausnahmslos ehrenwerte Männer aufgetreten. Kein Wort über ihre mangelhafte Glaubwürdigkeit.
Berichterstattung auf Kosten der Fischereiaufseher
Weil die MZ wesentliche Fakten unerwähnt ließ, entstand ein falsches Bild. Darunter wiederum hatte der Kreisfischereiverein Kelheim zu leiden. In den Fokus nahm die Zeitung den Vereinsvorstand, der nach ihrer einseitigen, auf den Verteidiger ausgerichteten Schilderung einen schikanösen Fischereiaufseher hatte gewähren lassen. Der Reporter schrieb: „An den Fischwassern im Landkreis Kelheim herrscht Krieg – Krieg zwischen vielen Anglern und einigen Funktionären.“
Wie sich am Rande des Prozesses herausstellte, verfolgte der Journalist Dr. Rudolf Neumaier, Leitender Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, den denkwürdigen vierten Verhandlungstag. Bayerns Fischerei & Gewässer bat ihn um eine Einschätzung. „Hier wollten notorische Falschangler, denen zum Teil schon die Erlaubnisscheine entzogen waren, ihr Mütchen an einem Fischereiaufseher kühlen, den ein anderer, unbescholtener Zeuge, ebenfalls Angler, als freundlich und korrekt beschrieb“, sagte Neumaier. Die MZ-Berichterstattung wollte er „lieber nicht“ kommentieren, weil er den Kollegen persönlich kenne und ihm dieser „von dem Verteidiger vorgeschwärmt hat“. Im Nachgang des Prozesses teilte die Staatsanwaltschaft Neumaier auf Nachfrage mit, sie prüfe „die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage“.
Richter lässt sich nicht blenden
Nach Darstellung der Mittelbayerischen Zeitung wurde dem Fischereiaufseher nur „ein Denkzettel“ verpasst. Ein Axtangriff mit einer lebensbedrohlichen Verletzung als Denkzettel? Glücklicherweise hatten die Richter einen besseren Blick für die Realität. Ihr Urteil spricht für sich.
Christian Bertsch, Rechtsanwalt in Neustadt an der Donau und im Regensburger Prozess Nebenklage-Vertreter, ermuntert die bayerischen Fischereiaufseher. „Lassen Sie sich keine Angst einjagen. Wichtig ist, dass Sie Kontrollen korrekt und mit der gebotenen Höflichkeit angehen.“ Auf jeden Fall können Fischereiaufseher Lehren aus diesem Fall ziehen.
Damit ihre Amtsträger-Rolle deutlich wird, müssen sie dringend ihre Dienstmarke tragen. Am sichersten sind sie stets in Begleitung. Zum anderen zeigt der Fall, wie wichtig es ist, alle Vorfälle mit Konflikten so genau wie möglich zu dokumentieren – für Aufseher selbst wie auch für Vereine. Dann hat man Daten und Fakten zur Hand und kann sie im Ernstfall Richtern vorlegen. Und die fällen letztlich die Urteile.
Autor: Sebastian Hanfland