Zurücksetzen von Fischen: Eigenverantwortung in strengen Regeln

Catch & Release, Hegeverpflichtung, Verantwortung – beim Zurücksetzen von Fischen herrscht Unsicherheit und Begriffsverwirrung

Das Thema Catch & Release wird in Deutschland in den letzten Jahren zunehmend kontrovers diskutiert. Doch was ist genau unter Catch & Release zu verstehen? In Deutschland ist das Zurücksetzen von Fischen vorgeschrieben, die das Mindestmaß nicht erreicht haben oder während der Schonzeit gefangen werden. Deshalb fällt es auch nicht unter den Begriff Catch & Release (C&R).
Unter dem klassischen C&R ist das gezielte Beangeln von Fischen mit dem festen Vorsatz Fische nach dem Fang ausnahmslos zurückzusetzen zu verstehen. Das Zurücksetzen maßiger Fische, die nicht der Schonzeit unterliegen, ist in Deutschland aus ethischen Gründen umstritten und wird meist als rechtswidrig betrachtet. Der Fischfang wird nur dann nicht als tierschutzwidrig eingestuft, wenn ihm ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes zugrunde liegt. Eben nur, wenn der Fang mit einer Hegemaßnahme oder einer anschließenden Verwertung verbunden ist.

Deutscher Sonderweg

Deutschland steht mit dieser Rechtsauffassung nahezu alleine da. In fast allen anderen Ländern der Welt wird C & R eher positiv gesehen. Der Artenschutz steht dabei weit über dem Tierschutz. In manchen Fällen scheinen dem vorgebrachten Interesse am Schutz unbeeinflusster Fischbestände tatsächlich eher wirtschaftliche Interessen zugrundeliegen.
In Deutschland muss man sich aber an die geltenden Gesetze und Verordnungen halten. Allerdings gibt es unterschiedliche Interpretationen, in welcher Situation man einen Fisch zurücksetzen darf oder gar zurücksetzen sollte.
Es muss differenzierter hingeschaut werden. Gemäß Fischereigesetz ist mit dem Fischereirecht auch die Pflicht zur Hege verbunden. Ziel ist die Förderung eines artenreichen und gesunden Fischbestandes. Dazu dürfen so genannte kritische Bestandsdichten nicht unterschritten werden. Passiert es doch, kann es mittelfristig zum Aussterben lokaler Populationen und damit zum Verlust des betreffenden Genpools führen.

Bedrohlicher Artenrückgang

Über 90 Prozent der Flussfischarten stehen heute auf der roten Liste. Als besonders gefährdet gelten die strömungsliebenden Kieslaicher wie zum Beispiel die Äsche. Fließgewässertypische Weißfischarten wie Nase und Barbe sind stark zurückgegangen. Ohne Gegenmaßnahmen muss inzwischen mit einem Erlöschen der einstmals so reichhaltigen Wildfischpopulationen gerechnet werden.
Für den Fischartenrückgang sind eine Vielzahl von Ursachen verantwortlich: Wanderbarrieren, Turbinenschäden und nicht zuletzt fischfressende Vögel. Die Angelfischer tragen an diesem Rückgang noch die geringste Schuld, zumal in erster Linie fischereilich weniger interessante Arten betroffen sind. Ist es deshalb aber mit dem Hegeziel vereinbar, lokal bedrohte, aber nicht ganzjährig geschonte Fische dem Gewässer zu entnehmen, wenn diese zufällig an den Haken gehen?
Gemäß der Ausführungsverordnung zum Bayerischen Fischereigesetz (AVBayFiG) dürfen „Fische, die unter Einhaltung der für sie festgesetzten Fangbeschränkungen nach Zeit und Maß gefangen worden sind, sowie Fische ohne Fangbeschränkung nur in Übereinstimmung mit dem Tierschutzrecht und dem Hegeziel ausgesetzt werden”. Mit „ausgesetzt” ist im Gesetzestext das „Zurücksetzen” gemeint.

Zurücksetzen gesetzlich erlaubt?

Diese Aussage führt vielfach zur Meinung, jeder maßige Fisch außerhalb der Schonzeit wäre bedingungslos zu töten – auch wenn von seinem Überleben möglicherweise der Fortbestand einer bestandsbedrohten Population abhängt. Diese Einschätzung ist wohl nicht zutreffend und würde auch dem Zweck des Fischereirechts zuwiderlaufen. Verpflichtet das Gesetz doch auch zum Schutz der Fischbestände und der Lebensgemeinschaften.
Bedingungsloses Entnehmen hätte absurde Folgen: Will ein Aalangler an der Donau ein paar Köderfische fangen und erwischt dabei zufällig eine maßige Barbe, eine Nase, einen Frauennerfling, einen Nerfling oder einen Schied, dann müsste er diese Fische töten – obwohl sie auf der Roten Liste stehen und er dafür keine Verwendung hat. Kann das im Sinne der Tierschutz-, Naturschutz- und Fischereigesetzgebung sein?
Auch wenn der gefangene Fisch das Schonmaß erreicht hat und außerhalb der Schonzeit gefangen wurde, sollte der verantwortungsvolle Fischer auf die Entnahme der von gefährdeten Fischen verzichten, wenn folgende drei Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

  • Auf die Art des gefangenen Fisches wurde nicht gezielt gefischt, der Fisch ging also eher unerwartet an den Haken.
  • Die gefangene Fischart weist in dem befischten Gewässerabschnitt starke Populationsdefizite auf, ist jedoch nicht ganzjährig geschont.
  • Der gefangene Fisch ist uneingeschränkt lebensfähig und weist keinerlei Verletzungen auf, welche ihm lang anhaltende Schmerzen oder Leiden verursachen könnten.

Dabei ist folgendes zu beachten: Man darf in Deutschland keinesfalls auf eine bestimmte Fischart angeln, mit dem Vorsatz, diese ohnehin zurückzusetzen – Man käme mit dem Tierschutzrecht in Konflikt, da der geforderte „vernünftige Grund” dann eindeutig fehlt.

Die Verantwortung der Fischer

Für die Beurteilung von Lebensfähigkeit und Maßigkeit des Fisches ist der Fischer selbst verantwortlich. Gesetzliche Regelungen können ihm diese Aufgabe nicht abnehmen. Sollte durch Inaugenscheinnahme die Maßigkeit des Fisches nicht sofort erkennbar oder nicht zweifelsfrei feststellbar sein, sind die Fischer gut beraten, den gefangenen Fisch unverzüglich zurückzusetzen.
Von dem Verbot des Zurücksetzens kann unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden: Innerhalb enger rechtlicher Grenzen, wenn dabei immer das Hegeziel und zugleich das Tierschutzrecht im Auge behalten wird. Es scheiden sich allerdings die Geister, ob der einzelne Fischer oder nur der Fischereiberechtigte entscheiden kann, ob das Zurücksetzen in einem bestimmten Fall dem Hegeziel dient.
Die behördliche Seite sieht den einzelnen Angler überfordert und daher nicht legitimiert entsprechende Entscheidungen zu treffen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob von den Fischereiberechtigten nicht zu viel verlangt wird, wenn sie in artenreichen Abschnitten komplexe Regelungen erlassen sollen, die in der Praxis allen Einzelfällen gerecht werden.

Schlechter Ruf durch Trophäenfischer

Die Zuspitzung der Debatte um C&R hat die Fischerei insbesondere den spezialisierten „Karpfen – und Wallerprofis“ zu verdanken. Ihr Faible, gezielt Großfische zu fangen und nach dem Fotoshooting gleich wieder zurückzusetzen, machen sie mit T-Shirt-Sprüchen wie „Catch & Release ist Naturschutz und Fische töten ist Mord“ publik. Auch veröffentlichen sie ihre kapitalen Fänge mit reißerischen Fotos in der boulevardmäßigen Anglerpresse. Sie brüsten sich damit, dieselben Individuen wieder und wieder zu fangen. Sie liefern damit Tierschutzorganisationen und ambitionierten Staatsanwälten eine Steilvorlage, gegen die gesamte Angelei zu Felde zu ziehen. Dass sie sich in erster Linie selbst schaden, weil ihr Verhalten nach und nach eine restriktivere Rechtsprechung nach sich zieht, ist ihnen kaum bewusst.
Hier ist insbesondere die organisierte Fischerei, aber auch jeder einzelne vernünftige Angler gefragt, den geschilderten Auswüchsen entgegenzuwirken. Es gilt sich einzusetzen für eine nachhaltige Fischerei, die natürlich auch Freude machen muss, und für ein gutes Ansehen der Fischer in der Öffentlichkeit.

 

Veranstaltung

Wir freuen uns das Thema mit Ihnen am 3. Oktober auf der Messe in Landshut zu diskutieren.

Zurücksetzen von Fischen – Möglichkeiten und Zwänge
Artenschutz – Tierschutz – Öffentliche Wahrnehmung – Praxis am Gewässer

Öffentliche Podiumsdiskussion des LFV Bayern
Wann: 3. Oktober, 10.00 Uhr
Wo: Messe „Jagd, Fisch & Natur“, Landshut

Zur Veranstaltungsseite

Veröffentlicht in Angelfischerei.